"HURRA, ES IST EIN MÄDCHEN!"
Ein kleiner Führer für ganz besondere Patientinnen in der Urologischen Klinik
INHALT
· VORWORT
· WIE EIN MAIKÄFER AUF DEM RÜCKEN
· ES IST EINFACH EINE GEMEINHEIT
· IST SIE NICHT HÜBSCH GEWORDEN ?
· DER STENT, DAS UNBEKANNTE WESEN
· BEIM ERSTEN MAL, DA TUT'S NOCH WEH
dies ist ein einer Führer durch das, was in den nächsten Tagen und Wochen auf Sie zukommen wird. Vielleicht kann er Ihnen die eine oder andere Frage beantworten, die Sie im Zusammenhang mit Ihrer geschlechtsangleichenden Operation, des damit verbundenen Krankenhausaufenthaltes und der Zeit danach haben. Nicht nur für diejenigen, die noch nie ein Krankenhaus von Innen gesehen haben, werden die kommenden Wochen voller Überraschungen sein. Haben Sie z.B. wirklich alles mitgenommen, was Sie in den nächsten Tagen brauchen? Haben Sie dabei auch einen Handspiegel gedacht? Befinden sich zwei eng sitzende Miederhosen in Ihrem Gepäck? Sie werden gleich sehen, wozu Sie diese und andere Dinge brauchen. Vorab aber sei Ihnen für das Gelingen Ihrer Operation und Ihr neues Leben das Allerbeste gewünscht! Wem Sie nun die folgenden Seiten lesen, dann denken Sie bitte daran daß Ihnen verbindliche Auskünfte in medizinischen Fragen und bei akuten Problemen nur die für Sie zuständigen Ärztinnen und Ärzte geben können.
werden Sie aufgenommen und begeben sich anschließend zu Ihrer Station. Bei der Aufnahme legen Sie Ihre Einweisung vor und erhalten als Gegenstück dazu einen Stapel mit lustigen Aufklebern, die Sie von nun ab auf allem und jedem, was in der Klinik mit Ihnen zu tun hat, wiederfinden werden. Erst danach können Sie sich als offiziell vorhanden betrachten. Damit verbunden ist das versicherungsrechtlich begründete Verbot, das Klinikgelände ohne ausdrückliche Genehmigung zu verlassen. Na, das fängt ja gut an. Eine freundliche Schwester oder ein nicht weniger freundlicher Pfleger wird sodann Ihre Ankunft auf der Station befriedigt zur Kenntnis nehmen und Sie zu Ihrem Zimmer bringen. Wenn sich die Schwester jetzt ein Grinsen nicht verkneifen kann, mag das daran liegen, daß Sie soviel Gepäck mitgenommen haben, als planten Sie eine mehrwöchige Reise. So manches der von Ihnen mitgebrachten Kleidungsstücke wird sich nämlich mit ziemlicher Sicherheit als ungeeignet erweisen. Und überhaupt hat das, was nun vor Ihnen liegt, weniger Gemeinsamkeiten mit einer Urlaubs-, als vielmehr mit einer etwas enervierenden Achterbahnfahrt aufzuweisen: Sie erleben außerordentliche körperliche Belastungen, weit über das Gewohnte hinausgehende Aufregungen und kommen nicht mehr raus, bevor die Fahrt zu Ende ist. So ganz nebenbei geht dabei Ihr tiefster Wunsch in Erfüllung. Und wenn Sie jetzt die dazu nötigen Prozeduren auf sich nehmen müssen, dann vergessen Sie niemals, daß Sie letztlich auf die Freude zugehen, endlich die zu werden die Sie sind.
Von dem Bett, das einladend in Ihrem Zimmer steht, werden Sie am Tag vor Ihrer Operation noch nicht viel zu sehen bekommen. Sie sind ja schließlich auch gesund, sonst wären Sie im Gegensatz zu allen anderen Patient(inn)en gar nicht hier. Außerdem haben Sie heute noch eine ganze Menge vor sich, vor allem dann, wenn Ihre Hausärztin oder Ihr Hausarzt noch keine Voruntersuchungen durchgeführt haben sollte. Damit Sie den morgigen Tag auch heil überstehen, muß Ihnen nämlich erst noch reichlich Blut abgenommen, ein Thorax(Lungen-)röntgenbild angefertigt, ein EKG (Elektrokardiogramm) vorgenommen und eine mehrstündige Darmspülung durchgeführt werden. Außerdem werden Sie vorschriftsgemäß von der Anästhesie aufgesucht, die Sie über die Narkose aufklären wird. Um einen reibungslosen Ablauf der notwendigen Untersuchungen zu gewährleisten, halten Sie Sich bitte bereit und vermeiden Sie unangekündigte Ausflüge innerhalb der Klinik oder Besichtigungstouren zu den umliegenden Sehenswürdigkeiten. Wenn Sie auf der Suche nach den Räumlichkeiten, in denen Sie sich für Ihre Untersuchungen einzufinden haben, orientierungslos durch Gänge irren, die alle gleich aussehen, haben Sie ohnehin genügend Gelegenheit, sich einen umfassenden Überblick vom Klinik und seinen reichhaltigen Angebote zu verschaffen.
Im Laufe des Tages werden Sie bei einem Gespräch von Ihrer Ärztin/Ihrem Arzt aufgefordert, Ihren Entschluß für den nicht reversiblen Eingriff schriftlich zu bestätigen. Ihr Krankenhaus muß sich bei einem derart folgenreichen Eingriff selbstverständlich auch in rechtlicher Hinsicht absichern: Es ist allein Ihre Entscheidung. Sollte sich am heutigen Tage noch ein ernsthafter Zweifel an der Richtigkeit der von Ihnen getroffenen Entscheidung regen, dann packen Sie lieber schleunigst Ihre Sachen und fahren nach Hause. Das wird Ihnen niemand übelnehmen, denn schon morgen gibt es absolut kein Zurück mehr. Man wird Ihnen deswegen bei einem zweiten Anlauf sicher nicht die Tür vor der Nase zuschlagen. Da Sie natürlich ohnehin nicht wissen, zu welchem auch nur halbwegs erträglichen Leben Sie zurückkehren sollten, unterschreiben Sie mit einem dem Irrsinn leicht verwandten Lächeln im Gesicht die Irreversibilität des Eingriffs und mögliche Komplikationen wie Stenose, Nekrosen, Blutungen, Wundheilungsstörungen und vieles andere mehr. In diesem Zusammenhang sollten Sie wissen, daß auch die beste Ärztin/der beste Arzt auf diese tatsächlich nur sehr selten auftretenden Komplikationen keinen unmittelbaren Einfluß hat. Bei dieser Gelegenheit können Sie ruhig alle Fragen stellen, die Sie noch an Ihre Ärztin/Ihren Arzt haben. Äußern Sie spätestens jetzt auch konkrete Vorstellungen hinsichtlich der Beschaffenheit Ihres künftigen Körperorgans. Wenn Sie einen festen Lebenspartner haben, können auch dessen Maße von Interesse sein. Ihre Ärztin /Ihr Arzt wird sich bemühen, Ihre Wünsche bei der Operation im Rahmen des Machbaren berücksichtigen. Sie können ihr/ihm vollständig vertrauen.
In den
Atempausen,
die man Ihnen zwischen Ihren diversen Unternehmungen gönnt, sollten Sie
auch
noch an paar praktische Dinge bedenken. Schon demnächst nämlich wird
Ihr
Aktionsradius für einige Tage unweigerlich an Ihrem Nachtschränkchen
enden. Im
Hause finden Sie einige Geschäfte wo Sie Vergessenes noch schnell
besorgen
können. Auch um ein Telefon und Ihre Krankmeldung sollten Sie sich
besser jetzt
wo sie noch volle Bewegungsfreiheit genießen. Wichtige Utensilien
deponieren
Sie sinnvollerweise schon einmal in greifbarer Nähe zu der künftigen
Lagerstätte. Morgen müssen Sie nur noch daran denken, Wertsachen zu
verschließen und den Schlüssel beim Pflegedienst abzugeben. Jetzt
kommen noch
Ihre wunderschönen, langen Fingernägel ab (schluchz!). Na, alles
erledigt? Dann
dürfen Sie sich nach der von leichten Erstickungsanfällen begleiteten
Darmspülung und peinliche Berührtheit weckenden Intimrasur, über deren
genauere
Einzelheiten hier besser der Mantel des Schweigens gehüllt wird,
endlich
ermattet in Ihr Bett fallen lassen. Gegessen werden darf jetzt
absolut
nichts mehr, und auch der Genuß von Alkohol und Zigaretten verbietet
sich von
selbst. Verabschieden Sie sich noch genußvoll von gewissen, Ihnen
zutiefst
verhaßten Extremitäten und schlafen Sie gut, Sie Glückspilz!
Beim Erwachen am Morgen vor der Operation sind Sie für alles weitere
eigentlich
nur noch im Weg. Ihre geistige Präsenz ist gänzlich überflüssig und für
das
kommende Geschehen durchaus unerwünscht. Deshalb: Putzen Sie Ihre
Zähne, ziehen
Sie das auf Ihrem Tisch liegende Nachthemd an, begutachten Sie die über
Ihnen
baumelnde Kopfhaube, hampeln Sie vielleicht noch eine Weile nervös im
Zimmer
herum und verabschieden Sie sich danach am besten gleich wieder in
einen sanfte
Schlummer. Damit Sie das auch wirklich tun, wird man Ihnen ein paar
nette
Tabletten bringen und, wenn die noch nichts geholfen haben sollte, auch
eine
kleine Beruhigungsspritze verabreichen. Die Verantwortung für Ihr Leben
und
Ihren Körper tragen jetzt andere. Und die werden ihr Bestes für Sie
tun.
Wenn Sie viele
Stunden später wie aus dem Nichts wieder erwachen, kann es sein, daß
Sie um
sich herum seltsame Piepsgeräusche wahrnehmen, die Ihnen bisher nur aus
ziemlich dämlichen amerikanischen Krankenhausserien bekannt waren. Sie
entdecken, daß man Sie an eine Unzahl von Schläuchen und Kabeln
angeschlossen
hat. Zu allem Überfluß müssen Sie womöglich auch noch feststellen, daß
man Ihre
Hände festgebunden hat. Vielleicht werden sogar Ihre kläglichen
Versuche,
selbständig zu atmen, ganz entschieden von irgend etwas verhindert, das
sich
offensichtlich in Ihrem Hals befindet. Dann werden Sie noch beatmet.
Spätestens
die Gegenwart einer Ihnen vollständig unbekannt Pflegeperson, die sich
anscheinend schon seit längere Zeit neben Ihrem Bett befindet, läßt
Ihnen deutlich
werden, daß Sie sich in einem Zustand befinden, in dem Sie ständiger
Beaufsichtigung bedürfen. Sie schließen messerscharf daß Sie auf der
Intensivstation oder in einem Aufwachraum sind. Richtig geraten! Aber
keine
Panik, es ist nichts schiefgegangen, nach einer so schweren und langen
Operation ist das jetzt genau der richtige Ort für Sie.
Nachdem sich der erste Schreck über Ihre seltsame Umgebung gelegt hat,
können
Sie wahrnehmen, daß sich Ihr Unterleib in einem gut verpackten Zustand
befindet. Das ist der feste Verband, den Sie nun für einige Tage
tragen
werden. Nach und nach befreit man Sie von allerhand Gerätschaften
und
Schläuchen. Ihr erstes unwillkürliches Hüsteln wird mit nahezu
unbeschreiblichen Schmerzen in der Bauchgegend beantwortet. Bei dieser
Gelegenheit mögen Sie sich dunkel daran erinnern, daß Ihnen eine
freundliche
Ärztin/ein freundlicher Arzt in ferner Vergangenheit erklärt hat, man
würde
Ihnen die Bauchdecke herunterziehen. In Zukunft werden Sie sich deshalb
wohl
vorher überlegen, ob Sie ernsthaft zu husten oder zu lachen gewillt
sind. Ein
netter Mensch in einem weißen Kittel erklärt Ihnen, daß alles
gutgegangen sei.
Nun wird es aber wirklich Zeit, daß auch Sie endlich realisieren, was
um Sie
herum längst alle wissen: Sie sind jetzt ein Mädchen! Ihre
Verzweiflung, Ihr
Kämpfen, Ihr jahrelanges Leiden ist ein für allemal vorbei ! Nicht nur
Sie
selbst, sondern auch andere Menschen haben Sie in Ihrem Frau-Sein ganz
ernst
genommen und Ihnen geholfen, endlich auch körperlich die zu werden, die
Sie
sind. Niemand wird es Ihnen verdenken, wenn Sie jetzt unter Ausstoß von
für
Außenstehende nur schwer nachvollziehbarem und noch reichlich
narkotisiertem
Gefasel ein paar glückliche Freudentränen vergießen, bevor Sie ermattet
wieder
in tiefen Schlaf versinken.
WIE EIN MAIKÄFER AUF DEM RÜCKEN
Haben Sie schon
einmal beobachtet wie es dem genannten Insekt ergeht, wenn es
unfreiwillig
rücklings landet? Dieses hilflose Bild vermittelt Ihnen einen leichten
Eindruck
davon, in welcher Lage Sie sich für die nächsten Tage befinden. Falls
Sie es
noch nicht gemerkt haben sollten: Sie sind jetzt tatsächlich krank und
gehören
somit ins Bett. Abgesehen davon, daß Sie momentan auch kaum dazu in der
Lage
wären, Ihnen aufrechten Gang wiederzufinden, dürfen Sie das im
Gegensatz zum
Maikäfer nicht einmal versuchen. Ihnen ist für die ersten Tage nach
der
Operation strikte Bettruhe in Rückenlage verordnet. Vermutlich
baumelt über
Ihrem Kopf ein lustiges Bildchen, auf dem diese ärztliche Anordnung für
jedermann gut lesbar angebracht ist. Daran müssen Sie sich auch beim
Wiedereinsetzen Ihres ungestümen Bewegungsdranges absolut halten. Nur
eins
dürfen Sie sich beim Maikäfer abgucken: Er strampelt mit seinen Beinen,
und
AUCH Sie müssen während der Zeit des Liegens regelmäßig intensiv
Ihre Beine
bewegen. Damit senken Sie die Gefahr einer Thrombose. Diesem guten
Zweck
dienen auch die Spritzen die Ihnen täglich vom Pflegepersonal gnadenlos
in den
Bauch oder die Beine verabreicht werden. An die hilfreichen Spritzen
werden Sie
auch zu Hause noch wochenlang blauen Flecken und Dellen erinnern.
Nachdem Sie gerade glücklich wieder in Ihrem Bett gelandet sind,
schauen Sie
ruhig zunächst einmal an sich herunter. An Ihnen hat man während der
Zeit Ihrer
geistigen Abwesenheit so allerhand merkwürdige Dinge angebracht. Die
Infusionsnadel in Ihnen Arm kennen Sie ja schon von der Blutabnahme am
ersten
Tag. Jetzt hängt ein Tropf daran, aus dem Sie zunächst noch mit dem
Nötigsten
versorgt werden und gegebenenfalls auch Schmerzmittel zugeführt
bekommen. Diese
Nadel muß in der Regel ab und zu an einer anderen Stelle angelegt
werden. Dann
piekst es ein bißchen. Aus Ihrem Verband ragen gleich mehrere Schläuche
heraus.
Der in der Mitte der Bauchdecke angebrachte Schlauch ist ein
sogenannter
suprapubischer Katheter, über den Ihr Urin in den am Bett hängenden
Urinbeutel
abläuft. Solange Sie diesen Katheter und den Urinbeutel tragen,
dürfen Sie
unter keinen Umständen Druck auf der Blase spüren. Achten Sie stets
darauf daß
der Urin auch gut abläuft. Ist das nicht der Fall, melden Sie sich
umgehend.
Geben Sie unbedingt auch dann Nachricht, wenn Sie feststellen, daß sich
Ihr
fest sitzender Verband oder die Pflaster lockern.
Das Operationsgebiet ist außerdem mit einigen Drainagen versehen über die Blut und Sekret in ebenfalls an Ihrem Bett hängende Gefäße abgeleitet werden. Von diesen Drainagen wird man Sie schon nach wenigen Tagen wieder befreien. Wenn Sie eine Rückenmarksnarkose bekommen haben, befindet sich in Ihrem Rücken eine weitere Gemeinheit, die Ihnen das Liegen nicht gerade erleichtert und erst dann entfernt wird, wenn sich Ihr Zustand stabilisiert hat. Das ist aber lediglich eine Vorsichtsmaßnahme für eine eventuell erforderliche Schmerztherapie bzw. den äußerst unwahrscheinlichen Fall, daß Sie noch einmal unters Messer müssen. Viel interessanter sind die beiden durchsichtigen Schlauche, ein langer und ein kurzer, die an zentraler Stelle frech aus Ihrem Verband herausschauen. Dieselben sind keineswegs als besonders perfide Erinnerung an dasjenige Körperteil gedacht, das Sie gerade losgeworden sind, sondern der erste, zaghafte Gruß von einem ganz besonderen Gegenstand in Ihrer neu gebildeten Scheide, mit dem Sie später noch ausgiebig Bekanntschaft machen werden. Zu Ihrem "Stent", wie dieser Gegenstand heißt finden Sie unten eine ausführliche Beschreibung, die Sie gut lesen sollten. Wenn Sie an Ihrem Nachthemd oder in Ihrer Bettwäsche kleine rosa Punkte finden, so stammen diese vom Wundsekret, das aus dem kurzen Schlauch aus Ihrer Scheide abfließt.
ES IST EINFACH EINE GEMEINHEIT...
Das Leben meint
es
hart mit Ihnen. Der erste postoperative Tag ist längst vorbei, und mit
einem
Mal scheint die Zeit stehengeblieben zu sein. Sie können kaum glauben,
was
Ihnen jemand mit zuversichtlichem Gesichtsausdruck versichert hat daß
es Ihnen
nämlich von nun an jeden Tag ein bißchen besser gehen wird. Das tut es
zwar
ganz objektiv nur können Sie das in Ihrem subjektiven Empfinden
vermutlich
nicht so recht wahrnehmen. Während Ihr Körper langsam und unmerklich
seinen
Heilungsprozeß vollzieht, stellen Sie mit Entsetzen fest. daß sich Ihre
Haarpracht nach und nach in einen üblen, stinkenden Filz verwandelt und
Ihr
Körpergeruch mangels eines erfrischendem Duschbades von leichten
Verwesungserscheinungen kündet. Ihre Reinigungsaktionen beschränken
Sich
zunächst auf ein mit schlaffer Hand ausgeführtes Zähneputzen und
hilfloses
Gefuchtel mit einem Waschlappen, das Sie nach Aufflackern Ihrer
Energien an den
Rand der Erschöpfung zu bringen droht. In Ihren Beinen scheinen ganze
Armeen
von Ameisen zu marschieren. Die ausgeklügelte Lagerung, mit der Ihre
Ärztin/Ihr
Arzt wohlweislich Ihr Bett versehen hat, erweist sich als ein wahres
Folterinstrument.
Die Stunden und Minuten kriechen schier endlos dahin. Vor allem in den
Nächten.
Sie sind gewiß nicht die Erste, der jetzt still und heimlich so manche
Träne
aus den Augen kullert. Dann hilft Ihnen etwas Franzbranntwein, mit dem
Ihnen
jemand Ihren geplagten Rücken abreibt. Nachdem Sie außerdem drei Tage
mit
lechzendem Gaumen auf die erste feste Nahrung gewartet haben, wird
Ihnen selbst
dieses köstliche Vergnügen auf besonders hinterhältige Art und Weise
getrübt.
Um Ihre Verdauung wieder in Gang zu bringen, hat man Ihnen nämlich
nicht nur
Ihre erste Mahlzeit, sondern zusätzlich auch Abführmittel kredenzt. Mit
schreckensgeweiteten Augen müssen sie feststellen, daß einsetzendes
Gegrummel
in Magen und Darm unweigerlich zu Folgen führt. die mangels
Aufsteherlaubnis
mittels einer Blechpfanne im Bett zu verrichten sind. Und dabei
sollen Sie
dann auch noch darauf achten, daß Ihr Verband, bei dessen Konstruktion
der
nunmehr eintretende Fall berücksichtigt worden ist, möglichst sauber
bleibt.
Keine Angst, es wird Ihnen jemand vom Pflegedienst beistehen. den Sie
nur
rechtzeitig herbeirufen sollten. Peinlich braucht Ihnen ein solches
Vorkommnis
im übrigen nicht zu sein, Sie sind schließlich krank.
Verlassen Sie sich darauf: Es wird Ihnen wirklich schon in Kürze wieder viel, viel besser gehen. Ihr Körper braucht für eine ungefährdete Heilung ganz einfach die Zeit der Bettruhe, die man Ihnen verordnet hat. Vielleicht kann Ihnen eine nette Zimmernachbarin in Ihrem dumpfen Siechtum etwas willkommene Erleichterung verschaffen. Und wenn Sie alleine liegen, freuen Sie sich eben auf die kleinen Abwechslungen, die Ihnen der Krankenhausalltag mit Fieber-, Puls- und Blutdruckmessen, Entleeren von Urinbeuteln sowie Essens- und Medikamentenausgabe ohnehin immer wieder beschert. Neben Ihren Beinübungen hilft Ihnen außerdem noch die obligatorische Atemgymnastik bei der Gestaltung Ihrer Tage. Diese Atemübungen, die Ihnen vom Pflegedienst erklärt werden, sollen alle Patientinnen durchführen, besonders aber die Raucherinnen. Übrigens: Rauchen schadet nicht nur der Wundheilung, sondern ist auf den Zimmern grundsätzlich strengstens verboten! Die wirklichen Höhepunkte aber, bei denen Sie sich freudestrahlend des eigentlichen Zwecks Ihres Krankenaufenthaltes bewußt werden, spielen sich einige Stockwerke tiefer ab.
IST SIE NICHT HÜBSCH GEWORDEN ?
Und schon naht
einer dieser Höhepunkte, Ihr erster Verbandswechsel steht bevor Zum
ersten Mal
erleben Sie bewußt die Ehre, in einem der großen Aufzüge transportiert
zu
werden, und müssen nicht ewig vor den stets überfüllten
Besucheraufzügen
warten. Auch wenn Sie darauf angewiesen sind, daß Sie ein freundlicher
Mensch
mit Ihrem Bett in Windeseile durch die Gänge rollt, steigert sich damit
Ihr
Aktionsradius in kaum mehr vorstellbare Dimensionen - endete Ihre
Bewegungsfreiheit seit dem Aufwachen aus der Narkose doch spätestens am
Klingelknopf für den Pflegedienst. Glücklich im Uro-Endo-OP angekommen,
erblickt Ihr trübes Auge einen OP-Tisch mit zwei Beinstützen für die in
Ihrem
früheren Dasein ganz entschieden keine Verwendung bestand. Diese
Stützen sind
ein untrügliches Indiz dafür, daß sich an Ihrem Unterleib irgendetwas
entscheidend geändert hat. Um die für Sie in Ihrem jetzigen Zustand
schier
unendliche Distanz zwischen Bett und OP-Tisch zu überwinden, werden Sie
wie ein
Sack Kartoffeln mittels eines speziell für diesen Zweck angeschaffen
Brettes
dorthin verfrachtet Auch in einem High-Tech-Krankenhaus muß man eben
manchmal
auf einfache Hilfsmittel zurückgreifen.
In die richtige Position gebracht, huscht ein seliges Lächeln über Ihr
Gesicht.
Und keine Angst, das Lächeln wird Ihnen nicht vergehen. So weh tut es
nun auch
wieder nicht, wenn Ihnen Pflaster abgezogen, Drainagen herausgenonmen
und nach
und nach auch Klammern und Faden entfernt werden. Sie werden sehen,
Ihre
Ärztinen/Ihre Ärzte haben den Verband schnell abgenommen. Dann werden
Ihre
Scheide und das gesamte Operationsgebiet gründlich gereinigt und
untersucht,
was gar nicht weh tut. Vielleicht hält Ihnen dabei auch ein netter
Mensch Ihr
ängstliches Händchen. Ach ja, diese merkwürdigen Blechwinke, mit denen
man in
Ihnen herumhantiert, das sind die sogenannten Spekula, die werden Ihnen
bei
Ihrer Gynäkologin/Ihrem Gynäkologen in Zukunft regelmäßig begegnen (Sie
wollten
doch eine Frau werden, oder nicht?). Wenn Sie jetzt keinen Spiegel
mitgenommen
haben, dann gehören Sie ganz kräftig geschimpft. Da hat sich Ihre
Ärztin/Ihr
Arzt nun stundenlang den Rücken für Sie krumm gemacht, und Sie weigern
sich,
das Ergebnis in Augenschein zu nehmen. Als braves Mädchen haben Sie
natürlich
vorausgedacht und können mit zittrigen Fingern und aus einem schiefen
Auge
heraus einen ersten, kurzen Blick auf Ihren Körper werfen. Unter einer
wahren
Unzahl von Klammern, operationsbedingten Schwellungen und einem reichen
Spektrum an seltsamen Farben können Sie tatsächlich so etwas wie ein
Mädchen
erkennen. So ähnlich jedenfalls.
Diese unförmigen
Wülste da rechts und links, das sollen wohl die Schamlippen sein. Da
unten
sitzt ganz eindeutig der Scheideneingang. Und oben leuchtet ftech ein
kleiner
Knuppel. Spätestens, wenn Ihnen Ihre Ärztin/Ihr Arzt auf denselben
einen
sanften Stoß versetzt, wissen Sie, was es damit auf sich hat, und auf
die
Frage: ,,Was haben Sie da gespürt?" antworten Sie brav und noch etwas
unglaubig: "Meine Klitoris!" Ihre Ärztin/Ihr Arzt wird diese Antwort
mit befriedigtem Gemurmel zur Kenntnis nehmen, und Sie wissen nun daß
Sie ein
funktionstüchtiges und empfindungsfähsiges Organ bekommen haben.
Angesichts der
äußerst phantasievollen Optik sollten Sie jedoch keinsfalls auf den
Gedanken
kommen, dieser erste Anblick stelle das dauerhafte Operationsergehnis
dar.
Schon in den nächsten Tagen werden Sie feststellen, daß die gröbsten
Schwellungen mitsamt der fragwurdigen Farbgebung deutlich zurückgehen,
und nach
ein paar Wochen sieht alles schon ganz anders aus. Und allerspätestens
in
einigen Monaten sind Sie dann wirklich richtig hübsch. Und das wird
Ihnen
niemals wieder jemand nehmen können: Was Sie jetzt erstmals gesehen und
gespürt
haben, das sind wirklich Sie selbst!
Nach dem Anlegen eines neuen Verbandes der Ihnen das frische Gefühl
unerwarteter Sauberkeit beschert, und erneuter Rutschpartie in Ihr
trautes Bett
liegen Sie nun glücklich vor dem Uro-Endo-OP und warten darauf, daß Sie
jemand
abholt. Das kann manchmal etwas dauern und ergibt bei mehreren
Wartenden im
Vorraum ein recht originelles Bild, einem Stau auf der überfüllten
Autobahn gar
nicht so unähnlich. Wenn Sie zu denjenigen gehören, die im
ungeschminkten
Zustand nicht ganz zweifelsfrei als das nunmehr gewonnene Gcschlecht zu
identifizieren sind, geben Sie sich dem für die Abholung zuständigen
Menschen
durch ein seliges Grunzen oder in irgendeiner anderen angemessenen Form
zu
erkennen. So strahlen, wie Sie es jetzt gerade tun, kann ohnehin nur
ein
frischgebackenes Mädchen!
DER STENT, DAS UNBEKANNTE WESEN
Bevor Sie nach
circa einer Woche und einigen Verbandswechseln Ihrer Matrazengruft
wieder
entsteigen und damit die Ameisenarmee aus Ihren Beinen vertreiben
dürfen,
müssen Sie erst einmal lernen, mit dem schon anfänglich erwähnten
Gegenstand
umzugehen, der sich seit der Operation in Ihrer Scheide befindet.
Richtig: Das
ist der Stent, den Ihre Ärztin/Ihr Arzt hei den Verbandswechseln immer
penibel
gereinigt und Ihnen bei dieser Gelegenheit schon drohend vor die Nase
gehalten hat.
Der Stent ist in vielen Hinsichten ein teurer Freund. Zunächst einmal
deswegen,
weil es zur Zeit nichts Besseres und für die Patientin Angenehmeres
gibt, um
postoperative Verengungen und Vekürzungen der neu gebildeten Scheide zu
verhindern. Wenn Sie sich später über Ihren recht eigenwilligen
ständigen
Begleiter ärgern sollten, was ganz sicher des öfteren der Fall sein
wird, dann
seien Sie froh, daß man Ihnen nicht eine Stahl-, Plexiglas- oder
Silikonkonstruktion mit auf den Weg gegeben hat, wie das andernorts
meist noch
üblich ist. Im Gegensatz zu allen anderen Konstruktionen veruracht der
Stent
keine Schwierigkeiten beim Einführen in die Scheide und vor allem keine
ernsthaften Schmerzen. Er ist sehr biegsam, weich und aufblasbar. Diese
Eigenschaften werden Sie noch schätzen lernen. Vor allem aber gibt es
zur Zeit
auch nichts Teureres. Er muß deswegen bei der Krankenkasse gesondert
berechnet
werden. Da man ihn mit einem einfachen Trick leicht irreparabel
zerstören kann,
sollten Sie sich dem Stent mit Ehrfurcht nähern: Sie können leider
nicht damit
rechnen, daß Ihnen Krankenhaus oder Krankenkasse ein durch Ihr
Verschulden
defekt gewordenes Exemplar problemlos kostenfrei ersetzen.
Also, aufgepaßt jetzt! Die beiden Schläuche an der einen Seite Ihres Stents, die schon seit der Operation aus Ihnen herausschauen, sind Ihnen rein optisch mittlerweile hinlänglich bekannt. Sie haben natürlich längst geahnt, daß sie nicht nur als besonders originelle Verzierung Ihres Unterleibs gedacht sind, sondern einen ganz bestimmten Zweck erfüllen. Damit sie das aber ungehindert tun können, müssen Sie bei den Reinigungsvorgängen, die nach dem Abnehmen des festen Verbandes Ihre Tage und Nächte begleiten werden, selbst in Aktion treten. Der kürzere Schlauch geht durch den ganzen Stent hindurch und dient dem Abfluß von Sekret aus Ihrer Scheide. Den müssen Sie vor dem Einführen des Stents in die Scheide jedesmal gründlich saubermachen. Dazu benutzen Sie eine Spritze. Der längere Schlauch dient dazu, den Stent mit Luft zu füllen oder dieselbe abzulassen. Die kleine Kugel am Ende des langen Schlauches ist ein Ventil, mit dem Sie den Stent dabei öffnen und schließen. Er ist geöffnet, wenn Sie die Kugel zum Stent hindrücken. Sie schließen ihn, indem Sie die Kugel vom Stent wegdrücken. In den langen Schlauch und damit in das Innere des Stents dart nichts anderes hineingelangen als Luft, Luft und noch einmal Luft! Überhaupt darf der Stent absolut nur dann ins Wasser gelegt werden oder mit Flüssigkeiten in Kontakt kommen, wenn die Kugel sein Inneres verschließt (Kugel weg vom Stent).
Noch einmal: Was darf unter keinen Umstanden durch den langen Schlauch in das Innere des Stents gelangen? Richtig: Wasser und Flüssigkeiten jedwelcher Art. Zum Auffüllen und Ablassen der Luft (Luft!!!) im Stent benötigen Sie ebenfalls eine Spritze. Und zwar eine andere als die, mit der Sie den kleinen Schlauch reinigen. Denn Sie wissen ja: Es darf überhaupt nie und unter gar keinen Umständen sowie auch nur im geringsten oder auf irgendeine Art und Weise Wasser in das Innere des Stents hineingelangen! Es ist doch auch sonst nicht lhre Art, Tausendmarkscheine einfach aus dem Fenster zu werfen, oder?
Wenn Sie von
Ihrer
Arztin/Ihrem Arzt eindringlichst über Stent und Genitalhygiene belehrt
werden,
ist das ein sicheres Anzeichen dafür, daß Ihr Ohnmachtszustand
unweigerlich
seinem Ende entgegengeht. Ab jetzt weht ein frischer Wind. Sie sind dem
eigentlichen Geschehen nicht mehr länger im Weg, sondern müssen sich
vielmehr
an Ihrem weiteren Genesungsprozeß höchst aktiv beteiligen. Die
Ereignisse
beginnen sich geradezu zu überschlagen und verlangen Ihre Mitwirkung.
Sind Sie
hereit? Ja? Na, dann mal hoch mit Ihnen und raus aus dem Bett!
Das ist natürlich einfacher gesagt als getan. Und damit Ihnen kein
Ungemach
geschieht, sollten Sie Ihre ersten Gehversuche auch unter keinen
Umständen
alleine probieren. Da haben Sie nun schon seit einiger Zeit das
Gefühl
gehabt, Sie könnten Bäume ausreißen, und nun wird Ihnen schon
schwindelig, wenn
Sie sich nur aufrecht hinsetzen sollen. Nachdem Sie Ihr schlappes Gesäß
von der
Bettkante gehoben haben, drohen Ihnen augenblicklich die Beine
wegzusacken.
Glücklicherweise werden Sie von helfenden Händen aufgefangen. Was Sie
nach
Ihren jüngsten Erfahrungen im Zustand völliger Apathie nie erwartet
hätten,
tritt nun ein: Sie wären froh, sich wieder hinlegen zu dürfen. Diesem
Verlangen
wird das Sie betreuende Personal zum angemessenen Zeitpunkt aber
vehement
entgegentreten und nicht eher Ruhe geben, bis Sie sich schwankenden
Fußes in
die Senkrechte begeben und einige unsichere Schritte unternommen haben.
Ihre
Mühe wird reichlich helohnt werden. Hätten Sie jemals gedacht, wie sehr
man
sich darüber frcuen kann, an eine Fensterbank zu treten und ins Freie
hinauszusehen? Wie schön es ist, selbständig eine Zimmertür zu öffnen?
Schon bald wird ein glückliches Mädchen - noch etwas wankend und mehr
oder
weniger kockett ein unpraktisches Plastikhandtäschchen schwenkend -
wieder den
Gang auf und ab gehen, auf dem es in ferner Vergangenheit zum ersten
Mal sein
Zimmer betreten hat. Irgendwann treibt es Sie dann auch unweigerlich
vor Ihren
Spiegel. Erschrecken Sie nicht allzusehr über das abgemagerte und
reichlich
zerzauste Häuflein Elend, das sich Ihnen dabei voraussichtlich
präsentieren
wird. Das ist schon wieder hinzukriegen Auch Ihr Puls, der nach Ihrem
ersten
Ausflug wie nach einem Marathonlauf dahinrast, wird sich bald wieder an
die
Anstrengungen eines aufrecht geführten Lebens gewöhnen. Etwas länger
werden
Ihnen jedoch die Schmerzen bleiben, die Sie bei dem unter großer Mühsal
verrichteten Aufstehen und Hinsetzen haben. Mit dem Sitzen ist das
jetzt
ohnehin so eine Sache. Schließlich handelt es sich hei der dazu
notwendigen
körpereigenen Auflagefläche um dasjenige Gebiet, an dem Sie frisch
operiert
sind. Seien Sie deshalb vorsichtig. Zur Not und bei größeren
Schwierigkeiten
gibt es dafür auch spezielle Sitzringe, wie sie von anderen Frauen nach
einer
Geburt verwendet werden.
Die wiedergewonnene Oberhoheit über Ihren Körper hat zur Folge, daß Sie nun höchstselbst einen großen Teil der Verantwortung für Ihr neues Organ übernehmen müssen. Dazu wird man Sie erst einmal von Ihrer Verpackung befreien, die bisher eine gewisse Distanz zwischen Ihnen und Ihrem künftigen Arbeitsgebiet geschaffen hat. Es ist nur ganz natürlich, wenn Sie dabei von ängstlichen Gefühlen beschlichen werden, irgendetwas falsch zu machen. Daß eine gewisse Ehrfurcht durchaus angebracht ist, zeigt auch die Tatsache, daß Sie unter einem Netzhöschen immer noch verschiedene Lagen eines losen Verbandes tragen. Ihr oberstes Gebot heißt jetzt peinliche Hygiene. Dazu zählen intensive Duschmaßnahmen vor jedem Verbandswechsel sowie immer, wenn die Verbände - aus welchen Gründen auch immer - abgenommen werden. Sie müssen auch akribisch die Falten zwischen den Schamlippen säubern und in die neugebildete Scheide hineinduschen. Es kann nichts kaputtgehen!
Um im Anschluß
an
Ihre Säuberungsmaßnahmen reibungslos den losen Verband eneuern zu
können,
sollten Sie sich beim Pflegedienst zu geeigneter Zeit ein mittleres
Warenlager
aus Kompressen, Nierenschalen, Spritzen, Schläuchen, Vorlagen,
Netzhosen,
Reinigungflüsssigkeiten und Gels besorgen. Der personell schwächer
ausgestattete Nachtdienst wird über größere Bestellungen kaum besonders
erfreut
sein. Sie werden sehen, daß Sie bei Ihren Aktionen schnell eine gewisse
Routine
entwickeln. Ihre Unsicherheit wird sich nach Erwerb der dazu nötigen
Kompetenzen
schon sehr bald verflüchtigen. Und am Anfang lassen Sie sich eben von
jemand
helfen, der Ihnen Schritt für Schritt die notwendigen Handgriffe
voführt. So
ganz nebenbei lernen Sie Ihren, ja, Ihren neuen Körper kennen
(auch wenn
er Sie in seinem jetzigen Zustand noch entfernt an ein gerupftes
Hühnchen
erinnern mag). Was Sie dabei empfinden, das bleibt Ihr ganz
persönliches,
schönes Geheimnis.
Nun gewinnen die eingangs erwähnten Miederhosen zentrale Bedeutung, die
Sie in
vergangenen Zeiten manchmal getragen haben mögen, um damit gewisse
ungeliebte
Körperteile notdürtig zu kaschieren. Wenn Sie gemeint haben, diese
unförmigen
Dinger seien Sie nach der Operation endgültig los, dann haben Sie sich
gründlich geirrt. Jetzt geht's erst richtig los! Und wenn Sie nicht
schon
selbst mindestens zwei dieser exquisiten Kleidungsstücke mitgebracht
haben,
dann werden sie Ihnen zwangsweise angepaßt und zurechtgeschneidert
(allerdings
auf eigene Kosten!). Das Miederhöschen ziehen Sie nach Ihren
Säuberungsaktionen
über Netzhose und die von Ihnen reichlich unbeholfen
zusammengeschusterten
Lagen von Kompressen und sonstigem Verbandsmaterial. Es soll ja
schließlich
nichts herunterfallen. Vor allem nicht Ihr Stent. Und dessen
Eigenheiten werden
Sie nun gründlich kennenlernen.
Zunächst einmal will der Stent ebenso peinlich geflegt sein wie Ihr neues Organ. Also: Säubern Sie ihn nach jedem Entfernen und vor dem Wiedereinführen in die Scheide akribisch! Dazu gehören sein Äußeres und der (kurze) Ablaufschlauch. Bevor Sie ihn mit den dafür vorgesehenen Reinigungsflüssigkeiten und Wasser abwaschen, vergewissern Sie sich, daß sein Inneres verschlossen ist (Kugel weg vom Stent). Vor dem Einführen in die Scheide lassen Sie die Luft ganz ab und schmieren Ihn mit einer Creme oder einem Gel ein, damit's richtig flutscht. Ist er bis zum Anschlag drin (und so weit muß er rein), füllen Sie Ihn mit Luft auf. Wieviel Luft Ihnen dabei guttut, wird Ihnen Ihre Ärztin/Ihr Arzt demonstrieren. Sagen Sie jetzt nicht, daß Ihr Stent schon wieder draußen ist. Nun, das ist seine zweite Eigenheit. Die wird Ihnen noch ganz schön auf die Nerven gehen. Dann stecken Sie Ihn eben gleich wieder rein. Und wenn Sie sich beeilen, dann haben Sie schon Verband und strammes Miederhöschen angelegt, bevor er Ihnen noch einmal entwischen kann.
BEIM ERSTEN MAL, DA TUT'S NOCH WEH
Ihr Kampf mit
dem
Stent fällt jedesmal im Anschluß an eine ganz bestimmte Gelegenheit an,
auf die
Sie sicher schon mit Spannung gewartet haben. Auch wenn Ihnen das
Tragen einer
Handtasche lange als Statussymbol des ersehnten Geschlechts gegolten
haben mag,
werden Sie sicher nicht traurig sein, daß Sie sich von dem recht
originellen
Beutel, den man bei der Operation an Ihnen angebracht hat, nun langsam
trennen
dürfen. Das lästige Ding ist in den letzten Tagen keineswegs an Ihnen
angewachsen, sondern wird tatsächlich mit einem einfachen Handgriff
wieder
abgenommen! Der Schlauch vom zunächst noch verbleibenden suprapubischen
Katheter wird dabei zugestöpselt. Und jetzt wird's spannend. Sie können
sich ja
denken, was die Schließung dieser hilfreichen, aber nicht als
Dauerlösung
gedachten küstlichen Körperöffnung unweigerlich bewirkt. Vielleicht
trinken Sie
zur Beruhigung jetzt erst einmal etwas.
Wenn Sie dann nach langem Warten den ersehnten Druck auf Ihrer Blase
spüren,
dürfen Sie sich auf den für das Kommende geeigneten Ort zurückziehen
und
setzen. Natürlich, setzen. Sie sind ja schließlich ein Mädchen. Ach ja,
vergessen
Sie nicht, vorher den Stent aus Ihrer Scheide zu entfernen. Na,
funktioniert's? Wenn Sie jetzt ein Brennen verspüren, dann ist das ganz
normal.
Es kann auch sein, daß Sie Ihren Strahl in etwas ungewöhnlichen Bahnen
von sich
geben. Das wird sich mit den Wochen, in denen Ihre Schwellungen
zurückgehen,
schon noch geben. Sie sind ja nicht in irgendeiner Bastelwerkstatt,
sondern in
der Urologie gewesen, wo man sich mit diesen Dingen bestens auskennt.
Sollte
die Aktion vollständig mißlingen, werden Sie unter Entfernung des
Stöpsels noch
einmal auf Ihren Schlauch zurückgreifen müssen. In Panik ausbrechen
brauchen
Sie deswegen nicht. Beim nächsten oder übernächsten Versuch klappt es
dann
bestimmt!
Für den Fall, daß Sie den Stöpsel am Urinschlauch oder auch den
Urinbeutel
entfernt haben, müssen Sie Stöpsel und Verbindungsstücke vor jedem
Einstecken
unbedingt desinfizieren. Dazu besorgen Sie sich bitte beim
Pflegedienst ein
geeignetes Desinfektiosmittel. Schließlich und endlich wird irgendwann
ein
kindliches Lächeln auf Ihrem Gesicht vom glücklichen Erfolg Ihrer
einsamen
Versuche künden. Nach jedem Wasserlassen werden nun
Säuberungsaktionen von
Stent und Scheide fällig. Damit sind Sie vier- bis fünfmal am Tag
beschäftigt. Und in der Nacht natürlich auch. Zuguterletzt wird man
Ihnen in
schwindelerregender Geschwindigkeit auch den Schlauch aus der
Bauchdecke
entfernen. Als Erinnerung bleibt Ihnen nur noch eine nette, kleine
Narbe. Es
könnte jetzt durchaus sein, daß man Sie demnächst entläßt. Sollten
Sie - was
zwar unwahrscheinlich, aber möglich ist - nach Ihrer Entlassung jemals
ernsthafte Schwierigkeiten beim Wasserlassen bekommen, suchen sie bitte
fachärztliche Hilfe auf!
Wie war das? Entlassung? Sie können es kaum glauben, aber Sie haben ganz richtig gehört. Ein letztes Mal noch werden Sie zur abschließenden Untersuchung in den Ihnen bestens bekannten Uro-Endo-OP zitiert. Mittlerweile ein wahrer Profi, begeben Sie sich mit elegantem Schwung auf den Untersuchungstisch. Vergessen sind die Zeiten, als man Sie hierhin noch schieben mußte. Was Ihnen jetzt noch bleibt, sind voraussichtlich eine überempfindliche Klitoris und vielleicht einige individuell sehr unterschiedliche taube Stellen im Operationsgebiet. Die hohe Empfindlichkeit Ihrer Klitoris wird sich in absehbarer Zeit legen. Sie wird dann nur noch in solchen Situationen Ihre Gefühlqulitäten ausspielen, in denen Sie auch etwas davon haben. Bei Ihrer Abschlußuntersuchung kann es allerdings sein, daß Ihre Klitoris mittels Entfernung des zentral in derselben sitzenden Fadens vorübergehend noch einmal zu ungeahnter Höchstform aufläuft. Aber Sie sind ja hart im Nehmen. Auch die übrigen noch verbliebenen Klammern und Fäden werden Ihnen nun entfernt. Wenn Sie unter Taubheitsgefühlen leiden, so werden sich diese nach und nach in einem Zeitraum legen, der mehrere Monate in Anspruch nehmen kann. Darauf hat Ihre Ärztin/Ihr Arzt keinen Einfluß.
Wenn sie/er mit Ihnen zufrieden ist und Ihren Endassungsschein unterschrieben hat, dann können Sie jetzt gehen. Lassen Sie sich vorher aber noch alles verschreiben, was Sie für die Nachsorge brauchen, bis Sie Ihre Ärztin oder Ihren Arzt am Heimatort aufsuchen können. Vielleicht möchten Sie auch noch etwas mitnehmen, aus dem hervorgeht, was mit Ihnen geschehen ist. Über Ihre Operation ist ein Bericht angefertigt worden, den Sie erbitten können. Vielleicht möchten Sie auch noch Ihren Personenstand ändern. Dann können Sie Ihre Ärztim/Ihren Arzt bitten, ein entsprechendes Kurzgutachten anzufertigen. Jetzt aber endgültig raus mit Ihnen: Auf Sie wartet Ihr Leben, nach dem Sie sich lange genug gesehnt haben.
Daheim angekommen, wird sich der in der Klinik eingeübte Umgang mit Ihrem neuen Organ in abgemilderter Form noch eine Weile fortsetzen. Vor allem müssen Sie das traute Beisammensein mit Ihrem Stent nun zu einem glücklichen Ende bringen. Dazu dürfen Sie etwas rechnen. Das müssen andere Frauen in nicht weniger belastenden Zusammenhängen schließlich auch. Nach ihrer Entlassung soll der Stent nicht mehr permanent getragen werden. In der ersten Woche wird er täglich eine Stunde aus der Scheide entfernt und danach wieder eingeführt. Haben Sie dabei keine Schwierigkeiten, so können Sie die Auslaßzeit in den nächsten drei Tagen auf zwei Stunden, den darauffolgenden drei Tagen auf drei Stunden usw. erhöhen. Irgendwann tritt - Überrachung! - die völlig unerwartete Situation ein, daß Sie den Stent tagsüber gar nicht mehr tragen. Und damit Ihnen jetzt nichts fehlt, lassen Sie ihn nachts weg und tragen ihn tagsüber acht Stunden. Und dann sieben Stunden, sechs Stunden usw., bis Sie ihren treuen Freund mit einem schadefrohen Grinsen in die hinterste Ecke Ihres Domizils verbannen. Kommen Sie aber bloß nicht auf die Idee, Ihren Unlustgefühlen dadurch Ausdruck zu verleihen, daß Sie den Stent dem Abfall übergeben. Wozu Sie ihn nämlich auch jetzt noch brauchen können und was Sie für Ihre Scheide in Zukunft tun müssen, wird Ihnen weiter unten noch verraten.
Im Vergleich zur ersten Operation ist die Korrektur, die nach ca. einem halben Jahr erfolgt, ein wahres Kinderspiel. Sie ist vor allem nötig, um den Scheideneingang am Damm zu erweitern. In den mcisten Fällen werden aber auch noch kleine kosmetische Unstimmigkeiten korrigiert. Sie haben es vermutlich schon längst gemerkt: Da haben Sie nun Wochen und Monate Ihr neues Organ allabendlich ganz verliebt betrachtet, sorgsam gehegt und gepflegt, in allen seinen Winkeln erforscht - und dann doch noch das eine oder andere entdeckt, was Ihnen ganz und gar nicht gefällt. Ob nun eine Schamlippe zu groß, der Scheideneingang zu eng oder der Schamhügel zu klein geraten ist, das sagen Sie alles Ihrer Ärtin/Ihrem Arzt, wenn Sie jetzt erneut in der Klinik erscheinen. Diesmal haben Sie wirklich nur einen kleinen Eingriff und einen kurzen stationären Aufenthalt zu absolvieren, der sich glücklicherweise in nichts mit dem vergleichen läßt, was Sie bei Ihrer großen Operation hinter sich gebracht haben. Und weil Sie schon so schnell wieder draußen sind, müssen Sie sich schon vorher um eine Ärztin oder einen Arzt kümmern, die/der Ihnen an Ihrem Wohnort ca. neun Tage nach dem Eingriff die sattsam bekannten Klammern und Fäden zieht. Alles andere ist Ihnen als echtem Krankenhausprofi ja schon bestens bekannt. Danach sind Sie dann wirklich hübsch. Sie dürfen jetzt sogar ein bißchen Stolz auf sich sein, denn Sie haben es geschafft.
Es gibt einige Dinge, die Sie mit Rücksicht auf Ihre Gesundheit auch nach Abschluß Ihrer Behandlung unbedingt und dauerhaft beachten sollten. Aus der ersten Zeit nach Ihrer Operation können Sie dabei schon einmal einige gute Angewohnheiten übernehmen. So ist der beste Schutz vor Komplikationen auch in Zukunft eine einwandfreie Genilalhygiene. Da es nicht ganz einfach ist, mit der Dusche die Scheide in Ihrer ganzen Tiefe zu reinigen, können Sie für gründliche Scheidenspülungen ruhig auch künftig noch einen Schlauch verwenden, wie Sie ihn im Krankenhaus benutzen mußten. Es schadet auch nichts, wenn Sie dazu von Zeit zu Zeit ein antiseptisches Reinigungsmittel verwenden. Näheres können Sie mit Ihrer Gynäkologin oder Ihrem Gynäkologen besprechen. Weiterhin besitzen Sie auch nach erfolgter geschlechtsangleichender Operation noch Ihre Prostata. Auch wem Ihnen das nicht gefallen mag, dieses Organ muß in regelmäßigen Abständen fachurologisch kontrolliert werden. Außerdem sollten Sie stets auf regelmäßige sowie vollständige Harnentleerungen achten und Ihre Blase nicht überfrachten.
Besonders
bewegen
wird Sie sicher die Frage, wie Sie mit Ihrer Scheide umgehen sollen.
Auf jeden
Fall muß ein- bis zweimal wöchentlich kontrolliert werden, ob sie
noch Ihre
ursprüngliche Weite und Tiefe hat. Wenn Sie nach der glücklichen
Verabschiedung von ihrem Stent rein gar nichts mehr zur Erhaltung Ihres
prächtig gelungenen Organs tun, werden Sie innerhalb kurzer Zeit keine
hinreichende Weite und Tiefe mehr besitzen. Um das zu verhindern, haben
Sie
mehrere Möglichkeiten. Sollten Sie keinen Partner haben, können Sie
z.B. einmal
wöchentlich in der Nacht auf Ihren Stent zurückgreifen. Was, das
gefällt Ihnen
nicht? Dann müssen Sie sich einen dieser netten Vibratoren zulegen, die
es in
schier unendlichen Farben und Ausführungen zu erstehen gibt. Dafür
existieren
dankenswerterweise entsprechende Geschäfte ausschließlich für Frauen,
die sich
in äußerst angenehmer Weise von Ihren männlich geführten Vorgängern
abheben.
Ihr Vibrator sollte eine glatte Oberfläche besitzen; Unebenheiten und
Erhebungen, etwa in Form von optisch ansprechenden lustigen Mustern
oder naturgetreuen
Nachbildungen von Äderchen, führen nur dazu, daß Sie sich Ihre Scheide
wundscheuern. Ein Vibrator aus flexiblem Material mit einer
abgerundeten Spitze
ist allemal angenehmer und zweckdienlicher als ein harter und spitzer.
Wenn Sie
ihn regelmäßig benutzen, können Sie eintretende Veränderungen
hinsichtlich
Weite und Tiefe leicht feststellen. Sie dürfen damit rechnen, daß Sie
nach
einiger Zeit eher auf ein größeres Modell umsteigen können.
Daß es außerdem noch verschiedener zusätzhcher Hilfsmittelchen für den
Umgang
mit Ihrer Scheide bedarf, werden Sie in Anbetracht des großen
Geschenks, das
Sie mit Ihrer Operation erhalten haben, sicher leicht verschmerzen. Um
die Haut
in Ihrer Scheide weich und geschmeidig zu halten, können Sie auf die
regelmäßige
Anwendung von östrogenhaltigen Cremes zurückgreifen. Einzelheiten
besprechen
Sie mit Ihrer behandelnden Ärztin oder Ihrem Arzt. Bei Ihrem Partner
und bei
der Benutzung eines Vibrators müssen Sie unbedingt auf hinreichende
Gleitfähigkeit achten. Dazu werden eine Vielzahl von Gels und
Cremes
angeboten. Hier bietet sich Ihnen ein großes Experimentierfeld. Die für
Sie
angenehemste und praktikabelste Lösung müssen Sie allerdings selbst
herausfinden. Aber das wird Ihnen bestimmt leicht fallen. Schließlich
sind Sie
mittlerweile eine selbstbewußte Frau, die mit Ihrem jetzt so schönen
Körper
umzugehen gelernt hat!
Sie komenen von weit her? Ihren Freunden und Verwandten ist es deshalb unmöglich, Ihren Aufenthalt zu verschönern? Sie würden sich einfach über das eine oder andere Gespräch freuen? Vielleicht wäre es Ihnen auch eine besondere Hilfe, jetzt mit jemandem sprechen zu können, der die Erfahrung, die Sie gerade machen, schon hinter sich hat? Das ist kein größeres Problem. Neben den üblichen Möglichkeiten von Krankenhausseelsorgern und Psychologen können Sie ohne Scheu das Angebot wahrnehmen, das Ihnen bestimmte Gnippen von Menschen in räumlicher Nähe gerne machen. Die jeweils aktuellen Rufnummern von ehemaligen Patientinnen und Selbsthilfegruppen, die sich auf ein Kennenlernen freuen, erfahren Sie von Ihrer Ärztin/Ihrem Arzt.